Hemer - ein kurzer geschichtlicher Rückblick  


Mit den Hemeraner Herbsttagen vom 26.9. bis 28.9.1997 erreichten im letzten Jahr die Aktionen und Veranstaltungen zur Feiern zur 925-Jahr-Feier der ersten urkundlichen Erwähnung von Hemer den Höhepunkt. Für die in Hemer und Umgebung seßhaft gebliebenen sicherlich keine neue Meldung, für diejenigen, die weniger häufig in Hemer weilen, sei dieses Jubiläum zum Anlaß genommen, in ein paar Zeilen die Geschichte von Hemer wiederzugeben.


Übersicht:

1072-1500
1500-1600
1600-1700
1700-1800
ab 1800


1072-1500

Die erste urkundliche Erwähnung der Stadt Hemer, findet sich in einer Stiftungsurkunde des Erzbischofs Anno II. von Köln. Im Jahr 1072 übereignet er zahlreiche Güter, darunter auch die Kirche und zwei Haupthöfe in Hademare, den Mönchen des neugegründeten Benediktinerklosters Grafschaft zur Versorgung des Klosters. Hierunter befinden sich ein Vorgängerbau des heutigen Haus Hemer, der Oberhof Hademare und die St. Vitus-Kirche, die 1803 wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde. Ist es nicht bekannt, seit wann die Grundstücke bereits bebaut waren und wie zu dieser Zeit die baulichen Anlagen ausgesehen haben. Ausgrabungen südlich von Haus Hemer haben erkennen lassen, daß die St. Vitus-Kirche eine bescheidene romanische Dorfkirche aus Naturstein, mit steilen Dächern, kleinen Fenstern, halbrundem Chor, schwerem, aber niedrigem Turm, Schiff und Kreuzchor war1).

Um 1250 ist die Deilinghofer Stephanuskirche entstanden2).

1452 taucht das Burggut wieder in Urkunden auf: wird es in der Ritterschaft des Herzogs von Kleve-Mark genannt, und zwar werden als Eigentümer die von Höcklinghausen verzeichnet. Sie stammen aus Höcklingsen bei Hemer und sind bis 1470 nachweisbar. Ihr folgt Familie Albert von Böckenförde, genannt "Schüngel", aus dem Dorf Böckenförde bei Lippstadt. Am 10. Juni 1499 verbrieft Herzog Johann von Kleve und Graf von der Mark dem Albert Schüngel die Fisch- und Wasserrechte am Hemerbach. Nach seinem Tode um 1550 erbt sein Sohn Albert Haus Hemer, 1554 fällt es an den Bruder Arndt Schüngel1).

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1500-1600

1565 wird Heinrich Lange als erster evangelischer Pfarrer von Deilinghofen nach der Reformation eingeführt. Im übrigen verläuft die Reformation in Kleve-Mark bis zum Aussterben des Herrscherhauses 1609 in diversen Pro- und Contra-Phasen.

Im Jahre 1567 entsteht die erste Papiermühle am Westiger Bach.

Um die Erbfolge von Haus Hemer gibt es nach dem Tod von Arndt Schüngel Streit und Prozesse. Am 23. Juli 1610 erteilt der Abt des Klosters Grafschaft, Gottschalk von Dael, die Genehmigung, Haus Hemer an Dietrich Ovelacker, den Drosten zu Altena und Iserlohn und gleichzeitigen fürstlich-klevischen und märkischen Rat zu verkaufen. Dietrich Ovelacker ist es, der Haus Hemer in der jetzt noch erhaltenen Form erbaut. Die Wetterfahne, die heute noch vorhanden ist, zeigt für den Bau oder seine Fertigstellung das Jahr 1614 an1).

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1600-1700

1614 fällt die Grafschaft Mark zusammen mit Kleve und Ravensberg an das Kurfürstentum Brandenburg, wo seit 1415 die Hohenzollern regieren.

Von 1618 bis 1648 wütet der Dreißigjährige Krieg vornehmlich auf deutschem Boden. Auch Hemer bleibt davon nicht verschont. In den Jahren 1616, 1620, 1623 u. 1626 wütet die Pest in Hemer. 1623 und 1624 hausen spanische Truppen in Hemer. Es ist anzunehmen, daß die meisten Gemeinden während der spanischen Besetzung rekatholisiert waren2).

1640 beginnt die Regierungszeit von Friedrich Wilhelm I., dem Großen Kurfürsten, die bis 1688 dauert. Dieser verfügt in einer Urkunde aus dem Jahre 1647 an die Besitzer des Hauses Hemer die Gerichtsbarkeit, sie umfaßt Nieder- und Oberhemer, Landhausen, Westig, Sundwig, Frönsberg und Becke.

1648 wird der Westfälische Friede zu Münster und Osnabrück geschlossen, er beendigt den Dreißigjährigen Krieg.

Dietrich Ovelacker stirbt am 1 September 1633. Das Haus Hemer erbt seine Witwe Elisabeth, geb. von Wachtendonk. Wegen der Kinderlosigkeit der Ehe fällt Haus Hemer an die Familie von Wachtendonk. Diese ist bis 1664 Besitzer des Hauses. Die Witwe Arnolds von Wachtendonk verkauft mit Zustimmung ihrer Söhne das Haus an ihren Schwiegersohn Melchior von Brabeck. Nach dessen Tode 1680 lebt sein Bruder Johann Ernst von Brabeck, Domherr in Münster, zeitweise auf Haus Hemer. Er stirbt hier 1690. 148 Jahre lang bleibt Haus Hemer im Besitz der Familie von Brabeck, deren Familienwappen, die drei Wolfsangeln, in das Wappen von Hemer übernommen wird.

1668 vernichtet eine Feuersbrunst ganz Niederhemer.

In den Jahren 1697-1700 erbaut der im Jahre 1619 in Letmathe geborene und spätere Fürstbischof von Hildesheim, Jobst Edmund von Brabeck aus eigenen Mitteln eine katholische ‘Privat’-Kirche. Sie ist heute die katholische Kirche St. Peter und Paul in Hemer. Auch für die Innenausstattung der Kirche, Kanzel, Hochaltar und Orgel, stiften der Bischof und seine Verwandten3).

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1700-1800

Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg nimmt im ostpreußischen Königsberg (außerhalb des Reichsgebiets) als König Friedrich I den Titel ‘König in Preußen’ an. Seit 1701 ist somit die Grafschaft Mark ein Teil von Preußen.

Das Jahr 1702 ist in zweifacher Hinsicht in der Chronik Hemers erwähnt. Zum einen wurde ein erster katholischer Friedhof in Hemer errichtet, zum zweiten wurde in der evangelischen Vituskirche eine neue Orgel eingeweiht.

Am 25.Mai 1706 wird Johann Gangolf Wilhelm Forstmann in Iserlohn als Sohn des Magisters Thomas Forstmann geboren. Er wirkt später von 1727 bis 1732 als Pfarrer und Nachfolger seines Vaters in Hemer. Danach wird er Pfarrer in Solingen, von wo aus er auf Hemer weiter stark einwirkt. Als glühender Verehrer des Grafen Zinzendorf, dem Begründer der Herrnhuter Bewegung, ist Forstmann von Bedeutung mit Wirkungen über die lokalen Grenzen hinaus2). 1710 wird Johann Diedrich Angelkorte, später Pfarrer in Hemer, in Iserlohn geboren. Neben seinem Vorgänger Pfarrer Forstmann jun., der ihm geistlicher Vater bleibt, wird Angelkorte in Hemer ein wichtiger und konsequenter Vorkämpfer der Herrnhuter Bewegung.

Von 1713 bis 1740 herrscht in Preußen Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig.

Zum Reformationsjubiläum 1717 gibt Magister Thomas Forstmann seine "Vita Lutheri" heraus, eine umfangreiche Lutherbiographie mit 1894 Seiten. Bei der Antrittspredigt des Magisters Thomas Forstmann sen. im gleichen Jahre schlagen sich in der Vituskirche die Gläubigen gegenseitig die Gesangbücher um die Ohren und es bedarf der Autorität Herrn ‘Commissair Deuticon’, die Gemeinde zur Harmonie zurückzuführen. 1718 läßt Pastor Thomas Forstmann an der linken Seite der Geitbecke ein neues Pfarrhaus bauen, es geht in der großen Feuersbrunst am 3. April 1779 zugrunde.

Hemer, Geitbecke im April 1998
Zeichnung: Hermann-Josef Geismann

1724 gibt es in Sundwig und Westig 17 Drahtziehereien, welche an den 1722 gegründeten Stapel zu Iserlohn abzuliefern hatten. Bei dem Iserlohner Stapel handelte es sich um einen Zusammenschluß der Drahtzieher und acht Kaufmannsfamilien unter staatlicher Aufsicht, durch diese Organisation werden die Bedingungen für Herstellung und Verkauf von Draht mit dem Ziel von stabilen Preisen und garantiertem Absatz geregelt. 1736 wird an der Stelle einer alten Eisenschmelze am Sundwiger Bach der erste Hochofen Westfalens in Betrieb genommen, die Sundwiger Eisenhütte. 1739 wurde die Gewerkschaft Helle gegründet mit dem Zweck des Erzabbaus im Felsenmeer.

Das Konventikelverbot durch König Friedrich Wilhelm I im Jahre 1740 betrifft auch die Herrnhuter Erweckungsbewegung. Im gleichen Jahr kommt Friedrich II. (der Große) an die Regierung, seine Regierungszeit dauert bis 1786. Unter Friedrich II: wird das Konventikelverbot verschärft. Den Herrnhutern hingegen wird am 25. Dezember 1742 eine "Concession“ gegeben, daß sie Gewissensfreiheit erhalten und gottesdienstlich tätig sein dürfen. Graf Zinzendorf kritisiert dieses Zugeständnis, weil die Brüdergemeinde dadurch zu einer Sonderkirche abstempelt wird, was niemals in seinem Sinne war.

Auf eine Verfügung Friedrichs des Großen wird im Jahr 1745 die katholische Kirchengemeinde gegründet, sie diente dazu, auswärtige katholische Facharbeiter für die Iserlohner Nadelfabrikation dauerhaft anzusiedeln: "1746, den 21. Juny, haben die Catholiken ihren Gottesdienst in einem Hause das erstemahle gehalten4)

Auf der im Sommer 1747 tagenden Märkischen Synode wird ermahnt, "darauf zu sehen, daß keine irrigen Lehren, besonders Herrnhutianismus qua Herrenhutianismus einreißen mögen“. Durch diesen Beschluß fühlen sich die Prediger Dümpelmann in Hemmerde, Westhoff in Bausenhagen und Angelkorte in Hemer angegriffen. Daher protestieren sie sofort dagegen. 1749 macht die Märkische Synode, "dem Pastor Angelkorte die Auflage, eidlich zu versichern, daß er die Herrnhutischen und Mährischen Brüder, die er bisher fast immer bei sich gehabt, und die Herrnhutischen Schriften, insbesondere das Gesangbuch, wegschaffe; auch die Konventikel meide, und die Reisen nach den Brüdergemeinden einstelle. Andernfalls würde man ihn sonst nicht mehr als lutherischen Prediger anerkennen“. Auf der Märkischen Synode wird am 15.Juni 1750 der Fall Angelkorte behandelt. Nachdem der Angeklagte am 1.Juni 1750 eine schriftliche Erklärung abgegeben hatte, in der er sich partiell von der Brüdergemeine distanziert, widerruft er später schriftlich diese Erklärung - mit dem Ergebnis, "daß mehrgedachter Past. Angelkorte ... für keinen Evang.-Lutherischen Prädiger weiter erkannt werden könne“, wobei die schließliche Entscheidung beim preußischen König läge und zuvor die theologische Fakultät Halle in einem Gutachten das Urteil noch einmal zu prüfen habe. 1751 nimmt die Märkische Synode das Gutachten der theologischen Fakultät in Halle "den Pastor Angelkorte und den ihm imputirten Herrnhutianismus betreffend“ zur Kenntnis und ist mit Angelkortes zu dieser Synode gegebener Erklärung zufrieden, verlangt aber noch, daß "Er sich über einige ihm vorzulegende Fragen ferner schriftlich erklähren, und dabey künftig Classen und Synoden kirchenordnungsmäßig besuchen solle.“ Am 17. September 1751 stirbt Pastor Angelkorte2).

Nach einer königlichen Verordnung vom 25.Mai 1748 werden in der Grafschaft Mark die Bürger der Städte "Iserlohn, Altena, Lüdenscheid, Schwelm, Hagen ... von der Kantonspflicht sowie der Werbung und Entrollierung zum Militärdienst befreit“. Diese Städte müssen zwar "... zum Ausgleich jährlich 15.000 Taler an die Staatskasse zahlen, aber die Befreiung der Gewerbetreibenden in diesem Raum von jeglichem Militärdienst war auch für viele Einwanderer, die große Kenntnisse und besondere Fähigkeiten mitbrachten, ein besonderer Anreiz, sich in der Grafschaft Mark Arbeit und Brot zu suchen“.

Im Jahr 1751 wird von Friedrich dem Großen eine Exklusiv-Belehnung mit allen Galmei-Vorkommen im Gerichtsbezirk Hemer an die Messinggesellschaft Iserlohn verliehen, die durch Johann Caspar Lecke mit dem Ziel gegründet wurde, Galmei zu gewinnen, zu verhütten und Messing zur Weiterverarbeitung herzustellen. "Eine Messingdrahtrolle ward von der Iserlohner Messinggewerkschaft im Jahr 1755 zu Hemer auf dem Werde angelegt. Von derselben Gesellschaft ward im Jahre 1788 auch eine Rolle auf der obersten Oese gebaut“5).

Von 1756 bis 1763 tobt der ‘siebenjährige Krieg’, der dritte schlesische Krieg, Friedrichs II. gegen Maria Theresia. Nach wechselndem Verlauf dieses Krieges und unermeßlichen Menschenopfern auf beiden Seiten wird zu Hubertusburg Frieden geschlossen. Preußens erzielt seine vollständige Anerkennung innerhalb des Reiches.

"Im Jahr 1762 erbaute Joh. Henr. Giese von Iserlohn auf Kosten des Herrn von Brabeck eine Fingerhuts- und Knopfmühle auf dem Rollenwend. Da dieser Giese aber vier Jahre nachher wegen vieler Schulden Reißaus nahm, so war die Mühle 1769 an die Brüder Henrich und Adolph von der Becke für 200 Louis d'or verkauft und diese ließen daselbst wie zu Sundwig arbeiten“5).

In Niederhemer wird am 12.September 1763 der größte heimische Mühlenbauer und Papierformenhersteller Johann Hermann Stindt geboren, Mentor der Ebbergkirche, gestorben 12.Juli 1846.

Gottfried Wilhelm Diedrich Schnetger erblickt am 24. Dezember 1770 in einem "großen preußischen Dorf und bedeutenden Kirchspiel in der Grafschaft Mark in Westfalen, mit Kirche, Schule und mehrern eingepfarrten Dörfern und kleinen Ortschaften, lutherischer Religion, das Licht dieser Welt. Deilinghofen hat eine schöne Lage, am Fuße eines hohen 2 Stunden langen Berges Balverwald genannt - ein fruchtbares Thal, treibt nur Landwirthschaft. Hat einen Steinbruch, wo Platten pp gebrochen werden. Es ist entfernt 1 1/2 Stunde von der in ganz Europa berühmten Fabrickstadt Iserlohn, 2 Stunden von der Fabrickstadt Altena - der Sitz der ehemaligen Grafen von der Mark. 2 St(unden) von Balve, 1 1/2 St. von Menden. Balve und Menden gehörten damals dem Churfürsten von Cölln und waren streng Katholisch. Bei Prozessionen gingen die Lutheraner dahin, um das Schimpfen der Pfaffen auf Luthern, auf die Protestanten, anzuhören und über ihr Verdammen zu lachen. Doch mußte man dieses sehr verbergen, um nicht todtgeschlagen zu werden.“6)

Am 14. Sept. 1767 wird Carl Franz Friedrich Basse in Altena geboren. Von 1797 bis 1833 ist er dann der 12. Pfarrer in Deilinghofen nach der Reformation. Sein Enkel Carl August Basse ist später "Mitbegründer der Firma Basse & Uerpmann zu Iserlohn 1872“, die jeder als B & U kennt.

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ab 1800

In der ‘Franzosenzeit’ von 1806 bis 1815 wird Hemer durch Napoleons Dekret zur Neuordnung des Großherzogtums Berg zur ‘Mairie’ im Kanton Iserlohn, Arrondissement Hagen im Departement Ruhr (Praefektur in Dortmund). Der ‘Maire’ ist Joh. Friedrich von der Becke (1750-1836), unverheirateter Fingerhutsmühlenbesitzer (heute Sundwiger Messingwerk) in Sundwig, dem Hauptort der Mairie, später preußischer Bürgermeister. Andererseits brachte die ‘Franzosenzeit’ die Bauernbefreiung. Abgaben, die in Hypothekenbücher einzutragen waren, konnten durch einmalige Geldzahlung abgelöst werden.

In einem plattdeutschen Text erzählt F.L. Woeste eine Geschichte mit typisch Hemeraner Lokalkolorit vom Ende der Franzosenzeit:

"Im Gasthaus Benzler in Niederhemer saßen am Abend des 22. Oktober 1813 zahlreiche Gäste zusammen. Das Gerücht einer großen Niederlage Napoleons bewegte aufs stärkste die Gemüter - sehr zum Leidwesen des vorsichtigen Wirtes. Ein Faß Bier wurde von einem der patriotischen Gäste gestiftet. Dem Wirt wurde bedeutet, wenn das Gerücht sich bewahrheite, könne er das geplante Schild ‘Gasthof zum Kaiser Napoleon’ am Schweinestall anbringen. Ein aus Iserlohn eintreffender Reisender bestätigte die Siegesnachricht. Hochs auf Blücher, Scharnhorsts und Gneisenau wurden ausgebracht. Aus dem allgemeinen Jubel sprang der Ruf auf, von der Mairie (Bürgermeisteramt) den ‘Kuckuck’, d.h. den französischen Adler herunterzuholen. Etwa 20 Mann machten sich auf den Weg und kamen bald mit der Trophäe zurück. In einer Gerichtssitzung wurde das französiche Hoheitszeichen zum Feuertode verurteilt, vorher sollte es Kopf und Krallen verlieren. Der erste Teil des Urteils wurde mit der Axt vollstreckt, anschließend kam der Vogel in die Küche unter den Stilmustopf.“

In einer Hemeraner Chronik liest man zum Ende der französischen Fremdherrschaft:

"1815, 2. Juni wird nach dem Sturz Napoleons I. die preußische Provinz Westfalen gegründet. Die mairie Hemer wird Bürgermeisterei im Kreis Iserlohn, Regierungsbezirk Arnsberg. Die Bürgermeisterei Hemer hat 3 ‘Steuergemeinden’: Hemer mit Becke, Landhausen, Nieder- und Oberhemer, Westig und Sundwig, Deilinghofen mit Apricke, Brockhausen, Deilinghofen und Riemke, Evingsen mit Evingsen, Frönsberg, Ihmert und Kesbern.“

Im Band 1 der Hemeraner Heimatkundereihe ‘Die Fibel’ hat Erich Lülff eine Reihe von Neuordnungen aus jener Zeit, die auch den Raum Hemer/Deilinghofen betrafen, zusammengefaßt. Teile stammen aus der Autobiographie des Iserlohner Landrats Peter Eberhard Müllensiefen (1786-1846; Landratszeit von 1818 bis 1836). "Der rührige Müllensiefen, war es zum Beispiel, der den Grundstein legte zum ‘Eisernen Kreuz’ in der Grüne, jenem auffälligen alten Kriegerdenkmal, das ..... am 18.Oktober 1816, dem dritten Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig, feierlich eingeweiht wurde. In seiner Landratszeit im (seit 1817) neuentstandenen Landkreis Iserlohn, zu dem zunächst auch Balve (bis 1832) gehörte, war Müllensiefen federführend etwa bei dem Bau diverser ‘Kunststraßen’ im hiesigen Raum. So war 1818 bei Müllensiefens Amtsantritt die heutige B7 gerade schon chausseemäßig ausgebaut, und um den Bau vieler weiterer Straßen im gesamten Kreis hatte sich Müllensiefen jahrelang engagiert zu kümmern, wobei lediglich sein ‘Lieblingsprojekt’, die Rotehausstraße als Verbindungsstraße zwischen Iserlohn und Schwerte, nicht erfolgreich verwirklicht werden konnte. Daneben lag ein Schwerpunkt der amtlichen Tätigkeit des Landrats Müllensiefen in dem Bau bzw. der Renovierung von Kirchen dieser Gegend, wobei er sogar als ‘Retter’ der Iserlohner Bauernkirche, die er vor dem Abriß bewahrte, bezeichnet werden kann.“6)

Die alte Vituskirche in Niederhemer wurde 1818 abgerissen, und die Kirche auf dem Ebberg wurde dann gebaut. Wegen Geldmangels konnten die Hemeraner die Ebbergkirche nicht nach den ursprünglichen Plänen des großen Baumeisters Schinkel bauen. Daß ein Sympathisant der Herrnhuter Brüdergemeine, nämlich der bekannte Mühlenbauer Johann Hermann Stindt, der maßgebliche Baumeister der Ebbergkirche war, ist oben in dieser Arbeit bereits angeklungen. Bei der Grundsteinlegung der Ebbergkirche am 14.April 1819 war der eben genannte Landrat Müllensiefen (wie er selbst schreibt, zum ersten Mal in seiner "überreichen Galauniform") maßgeblich mit von der Partie, und im Jahr 1820 konnte die neue Kirche eingeweiht werden. Woeste schreibt in seiner Chronik zur neuen Kirche:

"Der Abbruch des alten Gebäudes begann im Jahre 1818, und am 26. April dieses Jahres ward zum letzten Male in demselben gepredigt. Während des Neubaus wurde den Evangelischen die Mitbenutzung der katholischen Kirche vergönnt. ... Am 14. April 1819 ward der Grundstein zu der neuen Kirche gelegt, und am 13. August 1820 konnte dieselbe eingeweiht werden.“

Der verdienstvolle Hemeraner Pastor Johann Friedrich Wilhelm Wulfert (1760-1847, in Hemer seit 1803) ist gleichsam der Bauherr der Ebbergkirche, sein Sohn Carl Friedrich Franz Wulfert (1791-1871) unterstützt ihn während der Bauzeit als Adjunkt (Hilfsprediger). Nach den beiden sind die Wulfert-Schule und Wulfertstraße in Hemer benannt. Weiterhin setzt sich Wulfert Vater, auch für den Bau hiesiger Schulen maßgeblich ein (1805 Westig, 1828 erweitert, 1822 Frönsberg, 1846 Ohlschule Niederhemer).

König Friedrich Wilhelm III von Preußen Ziel war es, die Dinge im Staat einheitlich zu regeln. Ein erster Schritt in dieser Richtung war die Union von Lutheranern und Reformierten seit 1817. Der nach dem König wichtigste Mann in preußischen Kirchenangelegenheiten, der Bischof Dr. Rulemann Friedrich Eylert (1770-1852), war mit Pastor Basse aus Deilinghofen persönlich befreundet und besuchte Basse auch des öfteren dortselbst. Bischof Eylert besuchte den hiesigen Raum häufig, weil seine Frau Friederike aus einem Iserlohner Elternhaus stammte, sie war Tochter von Johann Hermann Löbbecke, jener Familie, der von 1812 bis 1958 das Haus Hemer gehört.

Hier endet vorläufig der kurze Abriß aus der Geschichte Hemers. Soviel sei noch nachgetragen:

1929 wird aus den vormals selbständigen Gemeinden Oberhemer, Niederhemer, Sundwig und Westig die Großgemeinde Hemer gebildet, die 1936 zur Stadt erhoben wurde. Deilinghofen bleibt bis zur großen Gebietsreform in den 70er Jahren dieses Jahrhundert selbständige Gemeinde im Amt Hemer. Danach gehört Deilinghofen genau so wie die übrigen Gemeinden des Amtes zur Stadt Hemer.

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1)vgl. Geismann, Hermann-Josef: Oberhof Hademare - Burggut Hemeren - Haus Hemer. Der Schlüssel 39 (1994) S. 104-106.

2)vgl. Groth/Korsch-Gerdes/Kramme: Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte Heft 3.

3)vgl. Kick, Thomas: Hemer, St. Peter und Paul: Orgel von Johann Jakob John, 1701

4)vgl. Schmölesche Chronik, nach:.Schulte, W., II, S.384

5)vgl. Woeste, Friedrich Leopold., zitiert in: Der Schlüssel (Blätter d. Heimat für d. Stadt Hemer) 33 (1988) 1, S.21

6)vgl. Groth/Korsch-Gerdes: Der Anfang von Schnetgers Lebensbeschreibung: Aus der Geschichte des ungewoehnlichsten Mannes, den Deilinghofen je hervorbrachte.


H. B.

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